43.
Kohlwanderung der Rotenburger Segelflieger
(eigentlich sollte es bereits die
44. sein!)
Vor genau einem Jahr, am 13. Februar 2021 war das Wasser des
Bullensees gefroren und wir haben mit Schrittschuhen an den
Füßen etliche Runden gedreht. Leider lag auch eine dünne
Schneedecke auf dem Eis. Der Winter hat in diesem Jahr bis
auf wenige Tage kurz vor Weihnachten nicht zu uns nach
Norddeutschland gefunden. Die Schneemassen haben sich leicht
im Kurs geirrt und sind in Jerusalem, Athen und Istanbul
gelandet. Dafür erleben wir gefühlt sechs Monate
Dauerherbst! Kein Frost, kein Eis, kein Schnee. Irgendwie
vermisse ich doch so langsam das weiße Winterkleid in den
dunklen Monaten. Aber keine Angst, der Winter macht nur mal
eine Pause. Auch zukünftig müssen wir mit Schneekatastrophen
und Fahrverboten rechnen. Nun aber naht der Frühling und am
19. März beginnt die Flugsaison. Ich bin mir sicher, der
Sommer wird fantastisch. Jetzt aber geht es erst einmal dem
Grünkohl entgegen.
Überpünktlich um 09:20 Uhr
erreichen wir den Treffpunkt in Visselhövede am Parkplatz
vor dem Hallenbad. Nach einer herzlichen Begrüßung und der
Überprüfung der Teilnehmerliste ertönt auch schon laut und
unmissverständlich das Kommando: „Der Grünkohl ruft ! Auf
geht’s, Kameraden!“ Unverzüglich setzt sich der Schwarm,
bestehend aus 34 Wanderern und ein Vierbeiner in Bewegung.
Die Jugendlichen haben diesmal einen Bollerwagen, gutgefüllt
mit bunten Säften dabei, denn Manja hat Geburtstag und ist
verdammt gut drauf. Es geht nach Norden vorbei an den
wunderschön gelegenen Visselseen. Einige Wanderer sind fest
davon überzeugt, dass es nach Bothel geht. Sie werden sich
noch wundern, denn erst einmal geht es zweimal um die Seen
herum.
Wir sind noch keine 15 Minuten unterwegs und
haben die Seenplatte zur Hälfte das zweite Mal umrundet, da
ruft Udo auch schon zum ersten Sammeln. Kleine Gläser werden
fix hervorgeholt und mit bunten Säften gefüllt. Schnell geht
es wieder weiter, aber die kleinen Gefäße werden noch des
Öfteren mit den verschiedensten Flüssigkeiten gefüllt, und
bald breitet sich ein wohliges Gefühl im Körper aus.
Schnellen Schrittes geht es voran, vorbei an der Kläranlage
Richtung Polarstern, also schnurgerade nach Norden und bald
riecht auch die kühle frische Luft angenehmer. Udo und Perry
müssen noch einmal einen Blick auf die Karte werfen, zur
besseren Orientierung. Die Wanderfreunde nutzen die Pause
und füllen die kleinen Gläschen noch einmal mit
wohlschmeckenden Flüssigkeiten.
Immer wieder muss
Perry Fragen zur Geschichte der Fliegerei beantworten. Die
jungen Piloten, besonders auch Lea, möchten doch so einiges
aus den Anfängen der Pionierzeit erfahren. Gerne tue ich
ihnen den Gefallen. Er glitt durch die Luft, aber es war
noch nicht das, was wir unter Segelflug verstehen. Aber es
war ein Anfang. Mit Lilienthal begann die Luftfahrt und
wenige Jahre später nahm der Motorflug seinen Anfang. Den
amerikanischen Brüdern Orville und Wilbur Wright gelang mit
15 PS der erste Flug für die Dauer von 12 Sekunden. Das war
am 17. Dezember 1903. Die Entfernung, die sie erreichten,
war nicht größer als die Spannweite eines modernen
Passagierflugzeuges. Die Entwicklung der Flugmaschinen nahm
aber schnell Fahrt auf. Den ersten Fernflug, für den ein
Preis gestiftet wurde, führte der Franzose Bleriot aus. Er
gewann die 1000 Pfund der englischen Zeitung „Daily Mail“
für die erste Überquerung des Ärmelkanals. Seine Maschine
war aus Holz, mit Stoff und sogar Papier bespannt. Zwei
Weltkriege beflügelten die Weiterentwicklung der Luftfahrt
und bereits 66 Jahre nach dem ersten Motorflug landeten
Menschen mit ihrem Fluggerät auf dem Mond.
Nach 4,5
Kilometern überqueren die lustigen Wanderfreunde um 12:05
Uhr einen kleinen Bach und erreichen ein Pferdegestüt am
Südrand von Buchholz. Ortschaften mit dem Namen Buchholz
findet man in Norddeutschland mehrfach. Vermutlich gab es
hier vor langer Zeit einmal eine Ansiedlung inmitten eines
Buchenwaldes. Noch einmal werden die kleinen Gläschen mit
belebenden Säften gefüllt, denn wir müssen noch fünf Minuten
und 150 Meter überbrücken bis Anja mit den Leckereien
eintrifft. Dann ist es soweit! Nach einer herzlichen
Begrüßung und Worte des Dankes greife ich mir, wie viele
Fliegerkameraden, einen Becher und fülle ihn mit würzigem
Glühwein, denn aus den Erfahrungen der vergangenen Jahre
wissen ja die Teilnehmer dieser Expedition, Glühwein gehört
bei einer Grünkohlwanderung unverzichtbar dazu. Ich bin noch
mit ein paar Mettenden beschäftigt, fahre aber zwischendurch
ruhig auch mal einen Negerkuss ein. Zwischendurch fülle ich
meinen Becher noch einmal mit duftendem Glühwein. Es werden
noch ein paar Fotos geschossen; natürlich haben alle
Teilnehmer ihre Maske auf. Erfreulich finde ich, dass ich
noch niemanden mit einer Zigarette erblicken konnte. Nach
annähernd 30 Minuten Pause geht es mit schnellen Schritten
wieder voran, dem Ziel entgegen, das da heißt“: Grünkohl mit
Pinkel“. |
Winterzeit ist leider auch Erkältungszeit. Damit die
körpereigene Schutzpolizei zuverlässig ihren Dienst
verrichten kann, bedarf es einer ausreichenden Versorgung
des Organismus mit verschiedenen Vitaminen und anderen
Nährstoffen. Um Engpässe zu vermeiden, empfehlen Mediziner
deshalb für die Ernährung viel Obst und Gemüse. Grünkohl (
bot. Brassica oleracea) ist das Winterwundergemüse und wird
im Rheinland, in Westfalen und Schleswig-Holstein,
hauptsächlich jedoch in Niedersachsen angebaut. Besonders
geschätzt ist er in weiten Teilen Niedersachsens,
insbesondere im Oldenburger Land, dort liebevoll
„Oldenburger Palme“ genannt. Es gibt ihn in verschiedenen
Sorten, welche im Handel allerdings keine besondere Rolle
spielen. Feinschmecker suchen gezielt nach exklusiven,
feinen Sorten wie zum Beispiel „Lerchenzunge“. Grünkohl
versorgt den Organismus mit einer großen Portion Vitamin C
und Kalzium sowie sekundären Pflanzenstoffen. Der hohe
Vitamingehalt geht leider durch die traditionelle
Zubereitungsart, ein stundenlanges Schmoren, verloren.
Grünkohl mit Pinkel, mit oder ohne Vitamine, ist und bleibt
das typisch norddeutsche Winteressen, zubereitet mit Speck,
Kochwurst, Kassler und Pinkel. Hinter dieser etwas
befremdlich klingenden Bezeichnung verbirgt sich eine Wurst,
welche aus Fett, Gewürzen und Grütze (gebrochene
Getreidekörner) besteht, und auch heute noch althergebracht
gefüllt in ein spezielles Darmstück, genannt „Pinkel“.
Noch gute vier Kilometer fehlen bis zum Ziel. Der Grünkohl
ist fast erreicht und das Gasthaus, „Möhme`s Hof“ am Rande
von Nindorf ist schon in Sicht. Was für eine Überraschung.
Ich bin sicher, damit hat wohl keiner gerechnet!!! Oder etwa
doch? Plötzlich habe ich das Gefühl, den geliebten Kohl, das
wertvolle Wintergemüse mit seinen vielen Vitaminen, bereits
riechen zu können. Am Eingang werden unsere Impfpässe
kontrolliert, dann dürfen wir als freie Menschen an den
langen Tischen Platz nehmen und nette Kellnerinnen
erkundigen sich nach unseren Getränkewünschen. Nany und
Perry bestellen natürlich, wie es sich zum leckeren
Grünkohlgericht gehört, ein helles Pils, ein “Großes“
natürlich. Im Rahmen der Begrüßungsansprache wird Manja noch
einmal herzlich zum Geburtstag gratuliert. Die Jugendgruppe
stimmt unverzüglich lautstark das Geburtstagslied an und
Wilhelm begleitet den Chor mit seiner Posaune.
So ein
Grünkohlessen ist ein göttlicher Genuss. Alles ist sehr gut
organisiert!!! Das Essen ist hervorragend. Alle Teilnehmer
dieser Wanderung sind begeistert. Besonders der Pinkel ist
immer wieder ein Hochgenuss. Und zum Nachtisch das Eis mit
heißen Kirschen; einfach galaktisch lecker. Der Gasthof ist
sehr zu empfehlen. Auch Benni bekommt sein „Fresschen“. Da
jubiliert die Hundeseele! Die Stimmung ist gut und wird mit
jedem Bier besser. Man merkt gar nicht, wie die Zeit
vergeht. So gegen 15:30 Uhr fahren die meisten nach Hause
oder werden abgeholt. Der Winter 2022 ist so
gut wie abgehakt! Der Frühling steht vor der Tür!
Wir
waren 34 Läufer, ein lieber Vierbeiner und 13 Nichtläufer!
Ein Gesamtergebnis mit dem wir in diesen schweren
Coronazeiten sehr zufrieden sind!
Lieber Udo, vielen
Dank für die hervorragende Organisation. Es hat mir sehr
viel Freude bereitet, dich bei der Planung unterstützen zu
dürfen.
Denkt bitte alle auch an das nächste kulinarische
Großereignis. Es wird übernatürlich lecker. Am
Freitag den 20. Mai findet um 19:00 Uhr im
Restaurant Waldhof in Unterstedt das 10. Traditionelle
SPARGELESSEN statt.
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