Flensborg Avis 29.11.2023
Flensborg og omegn
(Flensburg und Umgebung)

Sabina von Fintel ist dem Segelfliegen verfallen

Kosten hin, Risiko her: Die »Flensborg Avis«-Leserin kann sich ein Leben ohne Segelflüge nicht mehr vorstellen. Dabei ist es für die Hobby-Fliegerin schon einige Male brenzlig geworden.

 

HOBBY
Frederike Müller
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Flensburg/Rotenburg (Wümme). Das Zugseil spannt sich, das Flugzeug ruckt an, nach nur drei Sekunden hat Sabina von Fintel eine Geschwindigkeit von 100 Stundenkilometern erreicht. Wie der Drachen eines Kindes schießt das zarte Segelflugzeug in die Höhe. Bei gut 300 Metern fällt das Zugseil und damit die letzte Verbindung zum Boden. Ganz ohne Motor segelt der Flieger durch die Luft.

Nur drei Minuten dauert das Hochgefühl, das Sabina von Fintel so liebt, dann muss sie bereits die Landung einleiten. Doch diese drei Minuten schöpft sie voll aus: »Mich fasziniert das Gefühl von Freiheit beim lautlosen Gleiten durch die Luft«, sagt sie. »Man sieht, wie sich im Herbst die Blätter verfärben oder wie sich die Wolken aufbauen. Das Fliegen ist sehr entspannend und man kann all seine Alltagsprobleme loslassen.«

1000 Euro im Jahr
Für dieses Erlebnis verbringt die 53-Jährige die meisten Wochenenden von März bis Oktober auf dem Flugplatz und versucht, pro Tag drei Mal in die Luft zu kommen. Rund 1000 Euro gebe sie pro Jahr für das Hobby aus, schätzt die Rechtspflegerin und zweifache Mutter: »Ich bezahle das einfach, weil es mir so viel bedeutet.« Die Leidenschaft fürs Fliegen zieht sich durch ihre Familiengeschichte. Vor über 100 Jahren habe ihr Großvater einen eigenen Doppeldecker gebaut, berichtet sie. Sie selbst sei als Vierjährige im dänischen Billund zum ersten Mal geflogen. »Ich hatte schreckliche Angst in der Luft, aber mein Vater hat mich beruhigt und in den Arm genommen. Diesen väterlichen Schutz spüre ich auch heute noch bei jedem Flug. Mein Vater ist schon 40 Jahre tot, aber in der Luft ist er immer noch bei mir.« Mit 16 Jahren flog Sabina dann zum ersten Mal alleine. Um selber fliegen zu dürfen, durchlief sie eine mehrjährige Ausbildung, sammelte Starts, büffelte Luftrecht, Wetterkunde, und Navigation, um schließlich die Alleinflugreife zu erreichen. Seitdem fliegt sie, wann immer es geht. »Am liebsten fliege ich die alten Holzflugzeuge«, schwärmt sie. »Da knackt es auch mal irgendwo und man hat das Gefühl, das Flugzeug lebt. Das ist noch richtiges Fliegen.«

Zwischen Kribbeln und Entspannung
Über 1000 Mal ist Sabina von Fintel inzwischen in die Höhe gestartet. Jeder Flug wird säuberlich im Flugbuch vermerkt und immer noch genossen, auch wenn der Reiz des Neuen inzwischen abgeflaut ist. »Am Anfang hat man noch Kribbeln im Bauch«, sagt sie über die steilen Starts per Seilwinde, die den Großteil ihrer Flüge einleiten. »Aber irgendwann wird das leider zur Routine.«

Dabei ist ein gewisses Risiko immer mit an Bord. Sie erinnert sich an einen Flug im Gewitter, den ihr damaliger Fluglehrer leichtsinnig angesetzt hatte. »Ich habe vor lauter Regen keine Erde und keinen Horizont mehr gesehen«, schildert sie. Doch ohne Horizont kann der Pilot kaum navigieren. »Ohne meinen Fluglehrer wäre ich verloren gewesen.«



»Alles hat gequietscht und gescheppert«
Auch ein Alleinflug im Westerwald sei einmal um ein Haar schiefgegangen. Die Pilotin hatte den eigentlichen Landeplatz verpasst und musste eine Straße kreuzen, um eine alternative Fläche zu finden. »Da kam auch noch so ein oller Doppeldeckerbus«, erinnert sie sich an ihr Pech. Dem konnte sie gerade noch so ausweichen, aber dann musste zur Landung eine abschüssige huckelige Wiese herhalten. Das Flugzeug war noch viel zu schnell, prallte vom Boden ab und kam erst nach einer wilden Fahrt zum Stehen. »Alles hat gequietscht und gescheppert«, sagt die Fliegerin.

Zwar blieb alles heile, doch der Eindruck sitzt tieft »Ich habe mich nie wieder getraut, vom Flugplatz wegzufliegen.« Anstatt warme Luftströme zu nutzen und mit diesem Auftrieb bis zu 50 Kilometer über Land zu fliegen, dreht sie seither nur noch kleine Runden.

Andere hatten jedoch weniger Glück. »Ich kenne inzwischen mehr Menschen, die beim Fliegen umgekommen sind als im Straßenverkehr«, sagt die 53-Jährige nach kurzem Nachdenken. Doch Sabina von Fintel macht weiter, immer wieder zieht es sie in die Luft, wenn auch nur für wenige Minuten. Sobald der Frühling beginnt, will sie in ihrem Lieblingsverein in Rotenburg/Wümme wieder loslegen: »Ich fühle mich am Himmel wohler als auf der Erde.«

Flensborg Avis
29.11.2023
Frederike Lindberg